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125 Jahre Kurfürstendamm125 Jahre Kurfürstendamm – Im Glanz der Zwanziger Jahre über den „Broadway von Berlin“Eine Führung im Rahmen des Jubiläumsprogramms www.kudamm2011.de „Licht flutete durch die Straßen, grelle Reklamen hefteten sich wie mit Widerhaken an die Vorübergehenden, hämmerten ihnen Namen von Bars und Beine von Tänzerinnen ins Gehirn, und wer die Cocktails nicht trinken und die Frauen nicht kaufen konnte, der wußte wenigstens, dass es sie gab und wo“, mit diesen Worten fängt Anna Gmeyner in „Manja - Ein Roman um fünf Kinder“ - 1938 im holländischen Exil erschienen und seit kurzem in einer schönen Neuauflage greifbar – die Atmosphäre einer Berliner Frühlingsnacht des Jahres 1920 ein.
"Veronika, der Lenz ist da....", so sangen es die Comedian Harmonists, aber komponiert wurde das Lied von Walter Jurmann. Er wohnte gleich hinter dem Universum-Kino, der heutigen
Schaubühne, Kurfürstendamm 154.
Max Raabe sang zur Einweihung der Tafel am 20.Juli 2005 (Foto: Walter Kreipe).
"Ich habe Maßloses erlebt. Berlin senkte sich auf mich wie eine Steppdecke mit feurigen Blumen.
Der Westen ist vornehm mit hochprozentigem Licht - wie fabelhafte Steine ganz teuer...", so schwärmt Doris.
Deren Schöpferin wurde einen Katzensprung vom Kurfürstendamm entfernt geboren, in der Meinekestraße 6
(Foto: Walter Kreipe).
Anfang der Zwanziger Jahre zog die ganze Corona in ein Etablissement hinter der Gedächtniskirche um, das sich Romanisches Café nannte. Sein „Nichtschwimmerbecken“ war wie viele andere Ku'dammcafés ein Wartesaal aufs große Glück : vielleicht ein gut bezahlter Seitensprung, ein Engagement als Gigolo, als Filmsternchen, Verlagsautor, Zeitungskolumnist? Einstweilen hieß es aber schnorren oder anschreiben lassen, bis der“Ausweis“ kam, d.h. der diskret platzierte Zettel mit dem Hausverbot.Wer Tänzerinnenbeine sehen wollte, ging ins Nelson Theater, Ecke Fasanenstraße, heute...eine Filiale von Tommy Hilfiger.
Ihr Stadtführer auf dem zum Kurfüstendamm-Jubiläum neu angelegten George-Grosz-Platz gegenüber dem Haus Cumberland. Nach seiner Rückkehr aus dem amerikanischen Exil im Jahre 1959 lebte der satirische Maler und Grafiker am
Savignyplatz 5. Heute erinnert das Café Grosz im frisch aufgehübschten Haus Cumberland an den großen Berliner. (Foto Matthias Wolf). Wenige Jahre nach einem anderen Krieg, dem deutsch-französischen von 1870/71, trug Reichskanzler Bismarck Kaiser Wilhelm I. die Idee vor, den zu eng gewordenen kurfürstlichen Knüppeldamm als „Hauptader des Vergnügungsverkehrs“, als „bequeme Zirkulation der Berliner Bevölkerung ins Freie nach dem Grunewald“ auszubauen, und zwar nach dem Vorbild der Pariser Champs-Elysées, wenn mit 53 m auch nur knapp halb so breit. Unser Rundgang beginnt dort, wo man um 1900 noch von der „Straße ohne Häuser“ sprach, Felder bestellte und Spargel stach: am Lehniner Platz. Wir stehen vor der Schaubühne, dem früheren Universum-Filmtheater, diesem Ausrufezeichen der Neuen Sachlichkeit inmitten der ansonsten eher protzend-neobarock oder im Stil der Neorenaissance daher kommenden Kurfürstendamm - Architektur aus der Zeit der Gründerjahre. Auf dem Wege zum Romanischen Café, das man sich im heutigen Europacenter kaum vorstellen kann, erinnern wir an Film- und Hotelpaläste, fragen uns, wo „Der Blaue Engel“, wo „Das Kabinett des Dr. Caligari“ uraufgeführt wurden, wo man den jungen Helmut Newton ganz im Sinne der Zwanziger zum Modefotografen ausgebildete. Wir bleiben einen Moment stehen vor den früheren Max- Reinhardt - Bühnen des Theaters und der Komödie am Kurfürstendamm – hoffend, dass der irische Investor Ballymore und der von ihm engagierte Architekt David Chipperfield diese architektonischen Zeitzeugen Oskar Kaufmanns nicht vollkommen verschwinden lassen mögen.
Kurfürstendamm Nr. 29: Im 4.Stock des Hinterhauses lebte und arbeitete
von 1919 bis 1967 die Malerin und Grafikerin Jeanne Mammen (Foto: Matthias Wolf).
Wir werden über Moriz Seeler, den Begründer der „Jungen Bühne“, sprechen, über den Maler Felix Nussbaum, die Malerin Jeanne Mammen, die lebenslange Freundschaft zwischen George Grosz und Max Herrmann-Neiße, dem Dichter, Kritiker und Ku'damm-Anrainer, über den Schauspieler Hubert von Meyerinck, genannt „Hubsi“, die junge Grethe Weiser ,den Operettenkomponisten Eduard Künneke, die Operettendiva Fritzi Massary , die skandalträchtigen Soloprogramme der Tänzerin Anita Berber und viele andere, nicht zu vergessen Vladimir Nabokov und die von ihm besuchten russischen Cafés und Kabaretts im „russischen“ Berlin, dem „Charlottengrad“ der frühen Zwanziger Jahre.
"Ich will jetzt arbeiten, die Herren können sich ruhig dabei unterhalten," soll Roth seinen Tischnachbarn in "Mampes Guter Stube", Kurfürstendamm 14/15, gesagt haben, ehe er sich wieder über sein Roman - Manuskript beugte (Foto: Walter Kreipe).
Am Beispiel der „Hemdhose am Kurfürstendamm“ erinnern wir daran, dass in den zwanziger Jahren viele Geschäfte aus der alten Stadtmitte dem Drang nach Westen folgten und sich wie das Leinen-und Wäschehaus Grünfeld zunächst mit Dependancen, dann mit Hauptgeschäften am Kurfürstendamm etablierten und damit auch erhebliche Veränderungen an den „Geschwürhäusern“(Franz Hessel) der historistischen Wohnpaläste bewirkten. Ein kleiner Abstecher lässt uns auf das Theater des Westens blicken, in dessen Keller sich nacheinander Trude Hesterbergs „Wilde Bühne“(Musikalischer Leiter: Werner Richard Heymann) und Friedrich Hollaenders Kabarett „Tingel Tangel“ befanden. Hier hatte Brecht mit der "Legende vom toten Soldaten"seinen ersten Auftritt in Berlin, hier sang Marlene Dietrich noch einmal die „Fesche Lola“, ehe sie endgültig nach Hollywood ging und Amerikanerin wurde. Da waren die Zwanziger Jahre schon vorbei. Die Nazis standen Gewehr bei Fuß, der Kurfürstendamm war ihnen verhasst: zu undeutsch, zu amerikanisch, zu jüdisch. Viele wußten, dass sie die ersten Opfer dieses Wahns werden würden und sahen sich wie Heinrich Mann , Bertolt Brecht und Walter Mehring nach ihren Koffern um. |
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